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Sophie Calle

„The Shadow“ / „The Detective“

Im April 1981 beauftragt Sophie ihre Mutter einen Tag lang einen Privatdetektiv zu engagieren, um über ihre täglichen Aktivitäten zu berichten und um einen „fotografischen Beweis ihrer Existenz“ zu erbringen.

Der Text ist bei dieser Arbeit ebenso wichtig die Fotografien, wobei eine Beschreibung des Tages von Calle der Beschreibung des Privatdetektivs gegenüber gestellt wird. Beide Beschreibungen sind für sich genommen banal, verdeutlichen aber sehr anschaulich die großen Unterschiede zwischen „Innen-“ und „Außenperspektive“, zwischen Beobachter und „Objekt“. Deutlich wird so auch die Oberflächlichkeit der Beobachterposition, der sämtliches Wissen um Innenleben, Gefühle und Motive der beobachteten Person fehlt.

Calle bat einen Bekannten, den sie verfolgenden Privatdetektiv zu fotografieren, da sie ein Andenken an den Menschen, der ihr folgen sollte, wünschte.

Zwanzig Jahre später, am 16. April 2001 - unter dem Titel „20 Years later“ - wurde die gesamte Aktion wiederholt, diesmal wurde Calle von einem Privatdetektiv im Auftrag ihres Galeristen verfolgt.

Wer die Arbeiten einmal in einer Ausstellung mit eigenen Augen gesehen hat, der benötigt meines Erachtens keine kunsthistorischen Erklärungen für diese Serie. Die Arbeiten sind für mich selbsterklärend und berühren gerade deswegen, weil mit dem Versuch, einen fotografischen „Beweis“ der eigenen Existenz zu erbringen, so viele elementare Fragen und Gefühle angesprochen werden. Lässt sich solch ein Beweis überhaupt erbringen? Welche „Version“ unserer Existenz - unser Selbstbild oder die Sicht der anderen von uns - ist eigentlich „gültiger“? Was macht unsere „Existenz“ letztlich aus? Was ist „echt“ an unseren Erinnerungen und was immer wieder auf‘s Neue „gemacht“?

Sehr deutlich hinterlassen die Texte und Fotos bei den Betrachtern ein Gefühl, dass das, was wir als „Realität“ anerkennen letztlich ein medialer Effekt der Aufbereitung und Dokumentation von vorgefundenen Situationen, Momenten und Wirklichkeitsausschnitten ist. Für mich sind die Arbeiten deshalb auch heute noch so wichtig und so bewegend, weil sie diese Aussage sowohl dem Kopf als auch dem Gefühl sehr direkt und unverschnörkelt vermitteln.

Die Idee, sich von einem Privatdetektiv im eigenen Auftrag verfolgen zu lassen, ohne dass der Privatdetektiv von den wahren Auftraggebern weiß, war wohl eine spontane Idee und überzeugt einfach als solche und war damals neu. Der Ansatz, als Fotografin die Fotografien von anderen machen zu lassen, hatte seinerzeit auch noch ein ausreichendes Provokationspotenzial ebenso wie deren „Schnappschuss-Ästhetik“ oder der Versuch, aus banalen Ereignissen etwas Geheimnisvolles zu inszenieren. Die Arbeiten bleiben wohl auch deshalb interessant, weil Calle keine „Geheimnisse“ auflösen möchte, sondern lieber möglichst gelungen inszenieren.

Für uns als heutige Betrachter interessant sind nach wie vor nicht nur die mit der Serie verbundenen existenziellen Fragen und Gefühle, wer die Arbeiten von früher kennt, wird vielleicht auch an sich selbst beobachten können, dass wir nach den Enthüllungen über die NSA-Überwachungen diese Bilder in einem veränderten Licht sehen. Der Kontext für derlei Arbeiten hat sich vollkommen geändert und ich bin froh, dass ich damals die Serie noch als „solche“ ansehen konnte.

Die Kunsthistoriker/innen, die sich mit Sophie Calle beschäftigt haben, erkennen in den international vielfach ausgezeichneten Arbeiten übrigens gerne eine „Dekonstruktion des männlichen Blicks“ oder eine exzessive Parodie der dokumentarischen Seite der Fotografie. Die Arbeiten sind sicherlich vieldeutig und vielschichtig genug, um auch diese Interpretationen zu stützen. Es lässt sich aus fachlicher Sicht anhand dieser Arbeiten auch eine prima Diskussion darüber entzünden, inwiefern oder nicht Fotografie grundsätzlich als Beweismittel für was auch immer funktionieren kann (eine diametral entgegengesetzte Position würde beispielsweise Duane Michals in seinen Arbeiten vertreten). Hervorgehoben wird von kunsthistorischer Seite zu Recht, dass Calle die Grenzen zwischen Performance und Fotografie hinter sich lässt und insofern mit der dokumentarischen Tradition der Fotografie bricht als die Fotografin in ihren Bildern vorkommt und dort „performt“.

Calles Arbeiten zeigen an anderen Stellen eine Lust am Beobachtet-werden, etwa wenn sie sich beim Friseur die Haare machen lässt, um dem Privatdetektiv zu gefallen und das Observiert-werden scheint auch etwas mit Selbstvergewisserung zu tun zu haben. Zwanzig Jahre später ist hier die Lust am Beobachtet-werden eher einer Unlust gewichen, sie ist der Sache nach eigener Aussage müde geworden und tatsächlich bringt die Wiederholung der Aktion zwar sicherlich Geld ein, aber künstlerisch fügt sie der Arbeit keine neuen Aspekte hinzu - abgesehen davon, dass die Aufnahmen diesmal in Farbe gehalten sind.

Andere interessante Arbeiten wie „The Hotel“ (1981) praktizieren einen Voyeurismus, der an das Thema Überwachung angrenzt, aber es nicht umsetzt. In anderen Arbeiten praktiziert sie Voyeurismus, um schließlich zu versuchen, in das Leben anderer einzutauchen.









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